(c) Mariana Pende, Lana Stojićević und Bojan Mrđenović

Mariana Pende, Lana Stojićević, Bojan Mrđenović: Grauzonen – Zum Nachleben selbstverwalteter Betriebe in der aktuellen kroatischen Kunst

Künstler:innen: Mariana Pende, Lana Stojićević, Bojan Mrđenović

Laufzeit: 23.9.–10.11.2024

Gestaltung: Anastasija Georgi

Mariana Pende, Lana Stojićević und Bojan Mrđenović beschäftigen sich in den Arbeiten dieser Ausstellung mit Industrieabfällen im öffentlichen Raum. In den fast abstrakt wirkenden Fotos der Serie Imported Desert dokumentiert Bojan Mrđenović die Phosphorgips-Deponie des Düngemittel-Werks Ina-Petrokemija in Kutina. Lana Stojićević untersucht und inszeniert in Crno Brdo (dt.: Schwarzer Berg) einen Hügel in dem Dorf Donje Biljane, der aus den gesundheitsgefährlichen Abfällen des früheren Šibeniker Betriebs TEF besteht. Mariana Pende verwendet Graphitstaub, den sie als Abfallprodukt der früheren Dubrovniker Firma T.U.P. kennengelernt hat, zur Überarbeitung natürlicher und künstlicher Oberflächen wie der des Schwamms von Leave me in the shadow.

Mrdenovic, Pende und Stojicevic thematisieren material flows innerhalb von komplexen Rechercheprozessen. Die fotografischen Resultate stehen—auch in ihrer Schönheit—in einem Spannungsverhältnis zum Rechercheprozess. Bei diesem Prozess selbst arbeiten die Fotografierenden wie Historiker:innen oder Archäolog:innen.

Wir haben in der Ausstellung auch danach gefragt, welche Beziehungen zwischen der gestalterischen Praxis dieser drei kroatischen Künstler:innen und der Industrialisierung und Modernisierung Kroatiens und Jugoslawiens im 20. Jahrhundert bestehen, in der selbstverwaltete Unternehmen wie Ina-Petrokemija, TEF und T.U.P. eine wichtige Rolle spielten. Die Projekte von Mariana Pende, Lana Stojićević und Bojan Mrđenović verweisen auf die Geschichte dieser Betriebe, mit der sich die drei Künstler:innen intensiv auseinandergesetzt haben. Sie reflektieren das Spannungsverhältnis zwischen ökologischen Perspektiven unserer postindustriellen Gegenwart und selbstverwaltungs-sozialistischen und postsozialistisch-turbokapitalistischen Blickwinkeln der Vergangenheit.

Die Ausstellung hat drei verwandte Ansätze in eine Verbindung zueinander gebracht, die ohne diese Ausstellung vermutlich nicht sichtbar geworden wären. Für das Publikum erschloss sich so ein einerseits geografisch naher, aber andererseits unvertrauter Raum.

Ansichten der Ausstellung
  • Ansicht der Ausstellung
    (c) Mariana Pende, Lana Stojićević, Bojan Mrđenović. Foto: Martin Grabner
  • Ansicht der Ausstellung
    (c) Mariana Pende (Objekt), Bojan Mrđenović (Fotografien). Foto: Martin Grabner
  • Ansicht der Ausstellung
    (c) Lana Stojićević. Foto: Martin Grabner
  • Ansicht der Ausstellung
    (c) Mariana Pende (Objekt), Bojan Mrđenović (Fotografien). Foto: Martin Grabner
  • Ansicht der Ausstellung
    (c) Mariana Pende (Objekt), Bojan Mrđenović (Fotografien). Foto: Martin Grabner
  • Ansicht der Ausstellung
    (c) Marian Pende (Objekt) Lana Stojićević (Fotografien), Foto: Martin Grabner
  • Ansicht der Ausstellung
    (c) Mariana Pende (Objekt). Foto: Martin Grabner
  • Ansicht der Ausstellung
    (c) Lana Stojićević, Foto: Martin Grabner
  • Ansicht der Ausstellung
    (c) Bojan Mrđenović, Foto: Martin Grabner
  • Ansicht der Ausstellung
    (c) Bojan Mrđenović, Foto: Martin Grabner
  • Ansicht der Ausstellung
    (c) Bojan Mrđenović, Foto: Martin Grabner
Zu den Arbeiten von Bojan Mrđenović

Fotographie von Phosphor-Schlamm aus Imported Desert

Phosphor-Schlamm bei Kutina. Aus „Imported Desert“ von Bojan Mrđenović. (c) Bojan Mrđenović

Zu den Arbeiten von Bojan Mrđenović

Imported Desert

4 gerahmte Fotografien, analoger Diafarbfilm, Digitaldruck

Bojan Mrđenović, 2012-2015

Die Fotografien aus der Serie „Imported Deserts“ zeigen eine Landschaft aus Gipsschlamm in der Nähe des Düngemittelwerks Petrokemija in Kutina. Der Gipsschlamm blieb nach der Gewinnung von Phosphor aus importiertem afrikanischen Sand zurück. Über 30 Jahre wurden mehr als 6 Millionen Tonnen Schlamm inmitten eines Naturschutzgebietes gelagert.

Nature, Chemistry and Society

Slideshow. Archivmaterial, Google Earth sowie digitalisierte Fotografien auf analogem Diafarbfilm

Bojan Mrđenović, 2021

Bojan Mrđenović hat sich etwa 10 Jahre mit dem Ort Kutina und dem Betrieb Petrokemija beschäftigt. Die vier hier gedruckt präsentierten Bilder gehören zu einer Serie von Aufnahmen einer Deponie für Gipsschlamm. Auf dem Bildschirm sind weitere Aufnahmen von Bojan Mrđenović aus Kutina zu sehen. Sie stammen aus der Zeit vor der endgültigen Privatisierung des Werks. Hinzu kommt Material, das in der Zagreber Ausstellung Nature, Chemistry & Society (2021) gezeigt wurde.

Zur Firma Petrokemija in Kutina

Die Firma Petrokemija produziert seit 1968 in Kutina Mineraldünger. Sie ist der größte Düngemittelproduzent und der zweitgrößte Exporteur Kroatiens. 1985 hatte sie 4500 Beschäftigte, heute sind es weniger als 1300. Petrokemija war nach dem Ende des sozialistischen Jugoslawien zeitweise im Besitz des kroatischen Staats und wurde 2018 endgültig privatisiert. 2023 ging die Mehrheit der Anteile in das Eigentum der niederländisch-türkischen Firma Yildirim über.

Bojan Mrđenović

Bojan Mrđenović (* 1987) schloss 2012 das Studium der Kunstgeschichte und Informationswissenschaft an der Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften in Zagreb ab. Im Jahr 2015 graduierte er an der Akademie für dramatische Kunst in Zagreb in Kinematografie. Heute ist er als Dozent für Fotografie in der Abteilung für Kinematografie an derselben Akademie tätig. Er arbeitet sowohl als Kameramann als auch als Fotograf. Zahlreiche Gruppen- und Einzelausstellungen in Kroatien, Bosnien, Serbien, Italien und Deutschland, zuletzt: Nature, Chemistry & Society, (2021, Museum of Contemporary Art, Zagreb), Black Dogs and Red Forests (2022, Edith-Russ Haus für Medienkunst, Oldenburg).

Zu den Arbeiten von Mariana Pende

Zur Arbeit von Mariana Pende

Leave me in the Shadow

Schwamm, Graphit, Latex

Mariana Pende, 2022

Für diese Arbeit wurde ein vor der kroatischen Küste gefundener Schwamm mit einer Schicht von Graphitstaub und mit Latex bearbeitet. Der Graphitstaub stammt aus den Abfällen der Firma T.U.P. Graphitstaub wurde oft einfach ins Meer ensorgt.

2006 T.U.P.

Video 30’, Loop

Mariana Pende, 2006

Das Video zeigt das Fabrikgebäude der Firma T.U.P in Dubrovnik von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Das Vido verweist auf Probleme, die mit der Privatisierung und mit einem Kurswechsel der Dubrovniker Kommunalpolitik zusammenhängen, die mit T.U.P den letzten in Dubrovnik tätigen Industriebetrieb aufgab und sich dem Tourismus als einziger wirtschaftlicher Aktivität verschrieb. Mariana Pende beschäftigt sich mit dem Untergang der kroatischen Industrialisierung und mit der Demontage der sozialen Stellung der Arbeiter-Produzenten, die lange auch Arbeiter-Manager waren. Sie fordert die Betrachtenden auf, soviel Zeit aufzubringen, wie eine Nachrichtensendung dauert, um die Absurdität der Situation zu reflektieren. -->

Zur Firma T.U.P.

Die Dubrovniker Firma T.U.P. produzierte Graphit-Komponenten für die Maschinenbau-, Elektro- und Verkehrsindustrie. Sie wurde 1953 gegründet, die T.U.P.-Fabrik im Stadtteil Gruž war einer der größten Dubrovniker Industriebetriebe. Nach dem Ende Jugoslawiens arbeitete sie zunächst im Besitz der Beschäftigten weiter, bis sie vor wenigen Jahren ganz geschlossen wurde. Der Stadtteil Gruž, der lange ein Industriezentrum war, ist heute wirtschaftlich ausschließlich vom Tourismus abhängig.

Mariana Pende hat in der Fabrik lange zur Arbeit und den Arbeitsbedingungen der dort Tätigen recherchiert und dabei begonnen, mit Produktionsabfällen und mit Graphit- und Kohlenstoff-Pulver zu arbeiten. Sie hat ausgehend von diesen Recherchen Skulpturen und Ausstellungsprojekte entwickelt.

Mariana Pende

Mariana Pende (*1973) studierte ab 2002 in Venedig Kunst, vor allem Bildhauerei. Sie graduierte 2008 in Kunst und zeitgenössischer Musik. 2005 stellte sie bei der 51. Biennale in Venedig aus. Zahlreiche weitere nationale und internationale Ausstellungen folgten, darunter Point of Interrupted Departures (mit Slaven Tolj und Izvor Pende) bei der Biennale in Venedig 2019 und Danče de Luxe (mit Olaf Nicolai) im Sommer 2023 im Meštrović Pavilion in Zagreb. Ihre Werke sind in Museen und Privatsammlungen zu sehen. Sie lebt und arbeitet in Zagreb und Dubrovnik.

Zu den Arbeiten von Lana Stojićević

Kad ne dime tvornički dimnjaci
(Wenn die Schlote nicht mehr rauchen)

Erinnerungszeitung im Stil einer Betriebszeitung der Firma TEF

Lana Stojićević und ehemalige Arbeiterinnen und Arbeiter der Firma TEF, 2019

Producing: Josefina Ćurković, OLP

Diese Zeitung dokumentiert die Geschichte der Firma TEF, die Zusammenarbeit und das Zusammenleben der Beschäftigen und die Bedeutung des Betriebs für die Stadt Šibenik. Lana Stojiićević, die selbst in der Nähe des früheren Fabrikgeländes aufwuchs, kuratiert die Erinnerungen an das Werk für die heute in der Stadt Lebenden.

Crno Brdo

Dokumentation einer Performance

4 Digitalfotografien auf Dibond

Lana Stojićević, 2016

2010 wurden etwa 140 000 Tonnen potenziell gefährlicher Silizium-Mangan-Schlacke aus der ehemaligen Elektroden- und Ferrolegierungsfabrk TEF im Dorf Biljane Donje deponiert. In der Bevölkerung ist die Deponie als „Crno Brdo“ (schwarzer Berg) bekannt. Auf dem früheren Deponiegelände in Šibenik wurde der neue Stadtstrand eingerichtet.

In einer Performance, die die Oberfläche eines unbekannten Planeten imaginiert, beschäftigt sich dieses Projekt mit den Auswirkungen der künstlichen und gefährlichen postindustriellen Landschaft auf das Dorf und seine Bewohner:innen. Die in dem Kunstwerk verwendete Tracht ist eine Interpretation der traditionellen Volkstracht, wobei die Maske die – unmögliche – Sicherheit vor den Bedrohungen der Umgebung heraufbeschwört. Das Kostüm ist mit einem lokalen Stickereimuster (četverokuka) verziert, das Hoffnung und Schutz symbolisiert. Die Bewegungen der maskierten Figur, die sich immer wieder am Rand des Geländes aufhält, die Grenze des künstlichen Hügels aber nicht überschreitet, betonen die Spannung zwischen natürlicher und unnatürlicher Landschaft.

Zur Firma TEF

Die Firma TEF produzierte in Šibenik von 1963 bis 1991 Elektroden und Eisenlegierungen. Vorgängerbetriebe waren am selben Standort seit 1897 tätig, seit 1929 unter dem Firmennamen La Dalmatienne. 1979 beschäftigte TEF 1500 Arbeiterinnen und Arbeiter. Eines der Hauptprodukte der Firma war Ferro- bzw. Siliko-Mangan. Mangan wurde zum Synononym des Betriebs, seines Abfalls und auch seines Standorts in der Stadt. Nach dem Ende Jugoslawiens wurde die Fabrik abgebrochen. Die gesundheitsgefährlichen Mangan-Abfälle wurden in dem Dorf Donje Biljane als „schwarzer Berg“ gelagert und befinden sich noch immer dort.

Lana Stojićević

Lana Stojićević (*1989) studierte Malerei in Split und unterrichtet dort an der Kunstakademie. Zu ihrem Werk gehören Performances und Interventionen, die sich mit öffentlichen und privaten Räumen in Dalmatien auseinandersetzen, und die sie in Fotoserien dokumentiert. Zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen, u.a. in London, Dresden und Budapest (Website: https://www.lanastojicevic.com/). Im August und September 2023 war sie als Artist in Residence in Graz.