(c) Michael Goldgruber

Michael Goldgruber: Festland

Fotograf: Michael Goldgruber

Laufzeit: 13.05.–19.7.2023

Gestaltung Michael Goldgruber

„Festland“ war eine Installation zu Veränderungen des Erdsystems. Ihre Ursachen – fossile Brennstoffe und Intensivlandwirtschaft – bleiben meist verborgen. Die Veränderungen vollziehen sich scheinbar langsam und weit entfernt von uns. In Michael Goldgrubers Installation kamen sie uns nah – als Meer, dass sich auf unaufhaltsam auf uns zubewegt, sowie als topografisches Bildmaterial über die Gletscherschmelze. Sie wurden als Prozesse spürbar, die sich auch in uns und mit uns abspielen.

Die Installation bestand aus einem Video und zwei begleitenden Fotoserien. Die Veranstaltung gehört zum Programm der Galerientage Graz. Am 12.5. von 17:30-19:30 gab es Gelegenheit zu einem Preview mit Improvisationen von Stefan Heckel und Studierenden der Kunstuniversität Graz. Am 22.6. fand ein Künstlergespräch mit Michael Goldgruber statt.

Bei Michael Goldgrubers ist ein direkter Bezug der Bilder zur globalen Erhitzung und den durch sie ausgelösten Veränderungen im Erdsystem (Gletscherschmelze, Anstieg des Meeresspiegels) zu erkennen. Dabei ist für seine Arbeiten meist eine besondere Perspektive charakteristisch. Der Fotografierende verschafft sich Zugang zu ungewöhnlichen Positionen, und diese Positionen setzen – wie auch die Aufnahmen selbst – oft aufwändige Technik voraus. Die Ausstellung ermöglicht die Erfahrung von Prozessen, die ihrer Größe und Langsamkeit kaum zu erfassen sind. Gegenüber dem Publikum nimmt der Fotografierende hier die Rolle eines Vermittlers ein.

Werkverzeichnis / Elemente der Installation

RAMPE

Video, 2012. Full HD. 3‘35“.

RAMP, 2012 from Michael Goldgruber on Vimeo.

RAMPE

Fotografien (Triptychon), 2012.

Fineartprints, gerahmt (Vollholz, Eiche, Museumsglas), 60x75 cm.

  • Ramp, Bild 1
    Ramp, Bild 1 (c) Michael Goldgruber
  • Ramp, Bild 2
    Ramp, Bild 2 (c) Michael Goldgruber
  • Ramp, Bild 3
    Ramp, Bild 3 (c) Michael Goldgruber

RIM ZONE

Fotografien, 2019.

Panoramainstallation. Fineartprints/Dipond, 20x30 cm.

  • Panorama: Detail
    (c) Michael Goldgruber
  • Panorama: Detail
    (c) Michael Goldgruber
  • Panorama: Detail
    (c) Michael Goldgruber
  • Panorama: Detail
    (c) Michael Goldgruber
Ansichten der Ausstellung
  • Ansicht der Ausstellung
    (c) Michael Goldgruber, Foto: Martin Grabner
  • Ansicht der Ausstellung
    (c) Michael Goldgruber, Foto; Martin Grabner
  • Ansicht der Ausstellung
    (c) Michael Goldgruber, Foto: Martin Grabner
  • Ansicht der Ausstellung
    (c) Michael Goldgruber, Foto: Martin Grabner
  • Ansicht der Ausstellung
    (c) Michael Goldgruber, Foto: Martin Grabner
  • Ansicht der Ausstellung
    (c) Michael Goldgruber, Foto: Martin Grabner
  • Ansicht der Ausstellung
    (c) Michael Goldgruber, Foto: Martin Grabner
  • Ansicht der Ausstellung
    (c) Michael Goldgruber, Foto: Martin Grabner
  • Ansicht der Ausstellung
    (c) Michael Goldgruber, Foto: Martin Grabner
  • Ansicht der Ausstellung
    (c) Michael Goldgruber, Foto: Martin Grabner
  • Ansicht der Ausstellung
    (c) Martin Grabner
  • Ansicht der Ausstellung
    (c) Michael Goldgruber, Foto: Martin Grabner
  • Ansicht der Ausstellung
    (c) Michael Goldgruber, Foto: Martin Grabner
  • Ansicht der Ausstellung
    (c) Michael Goldgruber, Foto: Martin Grabner
  • Ansicht der Ausstellung
    (c) Michael Goldgruber, Foto: Martin Grabner
  • Ansicht der Ausstellung
    (c) Michael Goldgruber, Foto: Martin Grabner
  • Ansicht der Ausstellung
    (c) Michael Goldgruber, Foto: Martin Grabner
  • Ansicht der Ausstellung
    (c) Michael Goldgruber, Foto: Martin Grabner
  • Ansicht der Ausstellung
    (c) Michael Goldgruber, Foto: Martin Grabner
  • Ansicht der Ausstellung
    (c) Michael Goldgruber, Foto: Martin Grabner
Kurzbiographie Michael Goldgruber

1965 in Leoben, lebt und arbeitet in Thörl (Steiermark) und Wien.

1987 bis 1992 ao. Hörer an der Hochschule für angewandte Kunst, Studium der Kunstgeschichte und Philosophie an der Universität Wien.

1986 – 1989 Fotografie-Ausbildung bei Bernd Schilling in Wien.

2007 österreichisches Staatsstipendium für bildende Kunst.

2012 Fotoatelier des Bundes in Paris.

2015 Artist in Residence im Contretype, Zentrum für zeitgenössische Fotografie in Brüssel.

2015 internationaler Preis für Fotografie in Paris – „La Quatrième Image“.

1988 bis 2023 zahlreiche internationale Einzel- und Gruppenausstellungen u.a. in Wien, Graz, Linz, Krems, Bregenz, Berlin, Paris, Zürich, New York, Pula, Labin, Moskau, Bukarest, Athen.

Michael Goldgrubers Website: https://www.goldgruber.at/

Zu Michael Goldgrubers Installation „Festland“

In der Installation Festland werden Bilder und ein Video, die an der französischen Atlantikküste aufgenommen wurden, mit Bildern der Geröllzone am Rand eines schmelzenden Gletschers in den Alpen kombiniert. In iherer Serialität lassen sich die Aufnahmen als fragmentarische und nie identisch wiederholbare Aufzeichnungen fast unmerklich langsamer, aber unaufhaltbarer Prozesse lesen – und damit auch als Ausdruck oder Bild der Ungewissheit über das, was wir nicht wahrnehmen.

Wir wissen, dass das Meer und die Gletscher, die diese Aufnahmen zeigen, sich ganz langsam verändern, dass sie in ein paar Jahren etwas anders aussehen werden, dass die Gletscher langsam verschwinden und dass das Meer die Rampe, auf der man jetzt noch stehen kann, überschwemmen wird. Wir können zwar nicht sehen, wie der Gletscher stirbt und wie die Rampe im Meer verschwindet, aber wir wissen, dass die Momente, in dem sie aufgenommen worden sind, zu diesen Prozessen gehören.

Die Grenzzonen, in denen wir uns aufhalten, verschieben und verändern sich. Das Ansteigen des Meeresspiegels und das Sterben des Gletschers sind Teil der Klimakatastrophe, die das Verbrennen von Kohle, Öl und Gas ausgelöst hat und täglich weiter vorantreibt. Unser Verständnis der Natur ist politisch, ob wir es wollen oder nicht, und gerade wenn wir es nicht wollen. Landschaften und Wildnis sind nicht Refugien, sondern Konfliktzonen.

Die topographischen Aufnahmen des Ozeans und eines Gletschers verweisen aber auf mehr als eine Natur, die Teil der menschlichen Geschichte und politischer Auseinandersetzungen ist. Sie zeigen Momente von Prozessen in der kritischen Zone des Erdsystems, in der dünnen Schicht, in der Leben möglich ist. Diese Prozesse werden von menschlichen Aktivitäten beeinflusst – so weit, dass wahrscheinlich eine neue geologische Epoche, das Anthropozän, nach den Menschen benannt werden wird. Aber diese Prozesse sind keiner menschlichen Finalität, keinem Fortschritt untergeordnet. Wenn unsere Zivilisation verschwindet, weil wir ihre natürlichen Voraussetzungen zerstören, beginnen im Erdsystem neue Entwicklungen, die mit den Menschen nichts mehr zu tun haben werden.

Für unser herkömmliches Verständnis von Natur- oder Landschaftsfotografie sind die Natur und unsere Abbildungen der Natur selbständig, aber aufeinander bezogen. Die Natur existiert unabhängig von uns, aber wir können uns ein objektives Bild von ihr machen, und wir können diese Bilder zusammensetzen, um uns so eine immer vollständigere Vorstellung von der Natur zu bilden. Je vollständiger unsere Vorstellung von der Natur ist, desto weniger wird sie uns überraschen, desto besser können wir sie beherrschen undauch schützen.

Fernsehsendungen wie Universum zeigen uns eine grundsätzlich geordnete Natur außerhalb der menschlichen Gesellschaft. Die Natur, der wir in Michael Goldgrubers Installation Festland begegnen, ist anders. Einerseits ist sie wild, fremd und übermächtig. Andererseits wird sie perfekt und artifiziell, aber nur in Fragmenten und Momenten dargestellt. Was wir sehen, ist erkennbar das Ergebnis von komplizierten technischen Verfahren der Aufnahme, Reproduktion und Montage. Wir blicken auf die Randzone eines Gletschers und das Meer, und wir nehmen gleichzeitig wahr, dass und wie diese Blicke produziert wurden. Ausgestellt werden in dieser Installation Aufzeichnungen natürlicher Phänomene. Phänomene sind sie für und durch diese Aufzeichnungen.

Dass diese Aufzeichnungen erkennbar technisch produziert wurden, macht sie nicht zu etwas Subjektivem. Die Sorgfalt der Aufzeichnungen und der Reproduktion ermöglicht vielmehr Bilder, die unseren subjektiven Vorstellungen von natürlichen Phänomenen und ihrer Ordnung widersprechen. Die Bilder lassen sich mit Präparaten oder Experimenten vergleichen, die Gegenstände besser erfassbar machen, weil sie sie aus ihren Zusammenhängen lösen und verfremden. Wie bei Präparaten und Experimenten nehmen wir nicht das ganze Phänomen wahr. Wenn wir über die Bilder und ihre Wahrnehmung reflektieren, erkennen wir, wie groß die Bereiche des Nicht-Sichtbaren, nicht Erfassbaren und auch nicht Beherrschbaren sind.

Text: Heinz Wittenbrink